Widerstand bei Alstom
03.11.2010 / Inland / Seite 4
Kraftwerksbauer will 4000 Jobs vernichten. Beschäftigte an deutschen Standorten protestieren mit bundesweitem Aktionstag. Verhandlungen auf europäischer Ebene
Von Herbert Wulff
Im Konflikt um Stellenstreichungen beim Kraftwerksbauer Alstom lassen die deutschen Belegschaften erstmals ihre Muskeln spielen. Am Dienstag fanden an fast allen hiesigen Standorten des französischen Konzerns Aktionen gegen die geplante Vernichtung von weltweit 4000 Arbeitsplätzen statt. Hierzulande ist vor allem das Mannheimer Werk von den Kürzungen betroffen, wo 474 der rund 2300 Jobs wegfallen sollen.
»Das Alstom-Management verfolgt mit seinen Plänen eine Billigstrategie: Mit Personalabbau und Verlagerungen nach China und Indien sollen die Renditen möglichst auf dem Niveau des Booms gehalten werden«, erläuterte der Mannheimer Alstom-Betriebsrat Wolfgang Alles am Dienstag gegenüber junge Welt. Anfang Oktober hatte der Konzern die Streichung von weltweit 4000 Jobs in der Energiesparte bekanntgegeben, weitere Kürzungen im Transportsektor zu erwarten. In Europa sollen 3200 Stellen vernichtet werden, davon 760 in der Schweiz und 589 in Deutschland. Hintergrund ist der Konjunktureinbruch im Kraftwerksbau.
Betriebsrat und IG Metall fordern vor allem den Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen. Um diese zu vermeiden, sollten alle Möglichkeiten zur Kurzarbeit, Altersteilzeit und zum Abbau über Fluktuation ausgenutzt werden. An den meisten deutschen Standorten kann das Management bis November 2011 keine Entlassungen vornehmen. Erstmals hatte die Belegschaft den Ausschluß von Kündigungen im Zuge einer Standortauseinandersetzung im Jahr 2005 erkämpft. »Dafür haben wir keine Zugeständnisse gemacht, worauf wir sehr stolz sind«, erklärte Alles. In Zusammenhang mit der Einführung von Kurzarbeit wurde die ursprünglich Ende 2010 auslaufende Regelung bis November kommenden Jahres verlängert.
Betriebsrat und IG Metall wollen erreichen, daß die Vereinbarung erneut verlängert und auf alle Standorte in Europa ausgeweitet wird. In einer Resolution heißt es: »Der Konzernbetriebsrat fordert, daß auf der europäischen Ebene eine vergleichbare Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung wie die des Mitbewerbers Siemens abgeschlossen wird.« Siemens ist teilweise auf den gleichen Geschäftsfeldern wie Alstom tätig, was zuletzt dadurch bekannt wurde, daß der Münchner Konzern seinem französischen Rivalen den Auftrag zur Herstellung von Zügen für Eurostar, den Betreiber des Tunnels von Calais nach Folkestone, abjagte. Mit seinen Beschäftigtenvertretern hatte Siemens kürzlich eine Vereinbarung geschlossen, wonach der Konzern dauerhaft keine betriebsbedingten Kündigungen ohne die Zustimmung des Betriebsrats aussprechen darf.
Die Verhandlungen mit der Alstom-Konzernspitze über eine europäische Rahmenvereinbarung zur Beschäftigungssicherung sollen im November und Dezember laufen. Erst danach beginnen die Gespräche auf nationaler und lokaler Ebene. »Wir wollen uns lokal, bundesweit und international gemeinsam wehren«, betonte Alles. Der internationale Charakter von Auseinandersetzungen – der bei Alstom Tradition hat – wurde am Dienstag auch auf der Betriebsversammlung in Mannheim deutlich. Vor den über 2000 Teilnehmern, die danach in einer Demonstration durch die Innenstadt zogen, sprach nicht nur der Vorsitzende der deutschen und europäischen Beschäftigtenvertretung, Udo Belz. Auch der aus Spanien stammende stellvertretende Vorsitzende des Europäischen Betriebsrats, Emilio Penado, rief die Alstom-Belegschaften zu Solidarität und Widerstand auf.
(c) Junge Welt 2010
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Mehr Fotos von der Demo: http://www.rhein-neckar.igm.de/news/meldung.html?id=41194