Proteste: Belegschaft blockiert Lkw, um Verlagerungen aus Mannheimer Werk zu verhindern / Geschäftsführung schweigt
Verzweifelter Kampf bei Alstom
Von unserem Redaktionsmitglied Matthias Kros
Mannheim. Es ist ein fast schon verzweifelter Kampf der Alstom-Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze. Mehr als 200 von ihnen – fast die gesamte Frühschicht der Turbinenfabrik – haben sich an diesem Vormittag am Tor 8 versammelt und hindern einen Lkw an der Ausfahrt aus dem Werk. Geladen hat der Laster Rohlinge von Turbinenbauteilen, die von einer Fremdfirma in Deutschland gefertigt und anschließend zur Montage ins amerikanische Alstom-Werk Chattanooga gebracht werden sollen.
„Und das, obwohl uns die Produktion dieser Teile noch vor wenigen Wochen fest zugesagt worden war", schüttelt Manfred Weyand, Mitarbeiter in der Maschinen-Instandhaltung und Betriebsrat, den Kopf. Er und seine Kollegen fürchten, dass künftig immer mehr Teile der Produktion in die USA abwandern und für Mannheim irgendwann ganz Schluss ist. Schon in vergangenen Tagen hatten die Mitarbeiter in den Produktionshallen deshalb den Abtransport einzelner Bauteile verhindert.
Mit den Aktionen wollen die Mitarbeiter vor allem eines bewirken: „Endlich eine Ansage von der Geschäftsleitung, was aus der Turbinenfabrik in Mannheim wird", sagt Weyand. Doch es gibt wenig Neues: „Mannheim und Chattanooga gehören zum weltweiten Produktionsnetzwerk des Konzerns", sagt eine Sprecherin am Nachmittag. Dementsprechend sei die Aufteilung von Aufträgen zwischen den Standorten üblicher Bestandteil der weltweiten Produktionsplanung. Nochmals verweist sie auf ein neu erarbeitetes Konzept, mit dem man auf die aktuelle Auftragsflaute reagieren und bestehende Überkapazitäten abbauen wolle. Dieses werde man in Kürze dem Europäischen Betriebsrat vorstellen.
Doch an Tor 8 taucht an diesem Tag – trotz mehrfacher Bitte der Protestler – niemand aus der Geschäftsführung auf. Am Mittag macht sich eine kleine Delegation der Streikenden dann selbst auf den Weg zu den Büros der Unternehmensleitung, kommt aber ohne Ergebnis zurück. „Keiner lässt sich hier blicken", schimpft Dietmar Lang, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. „Ich schäme mich regelrecht für unsere Geschäftsführung".
Entsprechend „miserabel" beschreibt Weyand die Stimmung in der Belegschaft. Nicht nur in der Turbinenproduktion mit ihren rund 470 Beschäftigten, die am stärksten unter den Verlagerungen leidet. Auch in den anderen Bereichen weiß man, was ein Aus der Fertigung bedeuten würde: „Wir sind genauso betroffen. Ohne Produktion gibt es hier schnell auch keine Büros mehr", befürchtet Uwe Küstner, Mitarbeiter der Rechnungsprüfung. Deshalb habe er sich der Protestaktion angeschlossen, „aus Solidarität", wie er sagt.
Rückhalt bekommen Protestler auch von der Gewerkschaft: „Wir stehen hier ganz klar hinter der Belegschaft", sagt Reinhold Götz, Chef der IG Metall Mannheim. Mit der Verlagerung Richtung USA würden einfach „Fakten geschaffen", ohne dass von der Geschäftsleitung ein schlüssiges Konzept für Mannheim vorgelegt worden sei. Er befürchtet, dass der Standort ausblutet: „Es kann doch nicht sein, dass das bisschen Arbeit, das da ist, auch noch verlagert wird".
Aktion geht heute weiter
Am Abend können die Protestler immerhin einen kleinen Erfolg melden. Der blockierte Lkw wird wieder entladen und die Bauteile zurück ins Werk gebracht. Die Aktion sei damit aber nicht beendet, so Lang. „Wenn morgen früh ein neuer Lkw kommt, werden wir auch den blockieren". Dann könnte es auch endlich Besuch geben: Nach Informationen der Arbeitnehmervertretung will sich Alf Henryk Wulf, Vorstandschef der Alstom in Deutschland, die Situation ansehen und sich einen Überblick verschaffen.
© Mannheimer Morgen, Donnerstag, 17. 4. 2014
Energiewende verunsichert Investoren
In Europa werden kaum noch neue konventionelle Kraftwerke gebaut. Darunter leiden Firmen wie Alstom oder Hauptkonkurrent Siemens.
In Deutschland gilt die Energiewende als Hauptursache für die Auftragsflaute. Investoren sind angesichts mancher Unwägbarkeiten verunsichert, ob sich ihre Ausgaben auch dauerhaft rechnen. Derzeit werden sogar eher bestehende Anlagen abgeschaltet.
Alstom hat darauf bereits reagiert und im November Sparmaßnahmen angekündigt, unter anderem den Abbau von weltweit rund 1600 Arbeitsplätzen.
Das Unternehmen hatte allerdings damals betont, dass Mannheim nicht von dem Stellenabbau betroffen sei. Nun ist von einem neuen Konzept die Rede, mit dem man Überkapazitäten abbauen will. Mannheim wird dabei nicht ausgenommen.