Alstom: Laut Betriebsrat will das Management den Kündigungsschutz auch für das Mannheimer Werk kündigen
„Das ist absolut daneben”
Von unseren Redaktionsmitgliedern Matthias Kros und Michael Roth
Mannheim. Die Alstom-Konzernbetriebsratsvorsitzende Elisabeth Möller ist außer sich. "Das ist absolut daneben. Man will uns quasi den Wölfen zum Fraß vorwerfen", sagt sie. Die Arbeitnehmervertreterin kann absolut nicht verstehen, dass das Management ausgerechnet während des laufenden Übernahmekampfes die Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter in Deutschland kündigen will. "Das ist doch ein völlig falsches Signal, mal sehen, wie die Mitarbeiter es aufnehmen." Am kommenden Montag soll es im Mannheimer Werk eine Betriebsversammlung geben.
Management und Arbeitnehmervertreter hatten 2011 eine viel gelobte Vereinbarung erzielt, die die rund 1800 Mitarbeiter mindestens bis Ende 2014 vor betriebsbedingten Kündigungen schützt, eigentlich hätte sie sich automatisch um ein weiteres Jahr verlängert. Davon will man in der Geschäftsführung nun offenbar nichts mehr wissen: "Die Beschäftigungsgarantie wurde in 2011 unter völlig anderen Marktbedingungen, weltweit und besonders in Europa, unterzeichnet", sagte ein Sprecher gestern. Eine Beschäftigungsgarantie jedoch ohne die nötige Auslastung erfordere für das Management, die augenblickliche Situation neu zu betrachten. "Wir prüfen derzeit entsprechend, wie mit der Beschäftigungsgarantie zu verfahren ist", so der Sprecher. Dem Vernehmen nach ist die Entscheidung im Aufsichtsrat aber längst gefallen, eine Kündigung beschlossen.
Besuch beim Wirtschaftsminister
In ihrer Not suchen die Betriebsräte in Deutschland nun Hilfe bei der Landes- und Bundespolitik. Am Freitag steht ein Termin bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) an. Bereits am Montagabend hat sich der baden-württembergische Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) mit Alstom-Betriebsräten in Mannheim getroffen. Wie das Ministerium gestern mitteilte, machten die Arbeitnehmervertreter ihre Sorgen angesichts der aktuellen Diskussion um eine mögliche Übernahme (durch GE oder Siemens) deutlich und warnten vor einem Arbeitsplatzabbau. Mannheim ist der zweitgrößte Alstom-Standort in Deutschland, hier arbeiten 1800 Menschen.
"Ich kann die Sorge der Belegschaft verstehen. Wichtig ist deshalb jetzt vor allem, dass Alstom diese Sorgen ernst nimmt und sich für das Übernahmeangebot entscheidet, das langfristig den Standort und die Beschäftigung sichert. Ich werde mich dafür auf politischer Ebene einsetzen", sagte Schmid.
Unterdessen hat die französische Regierung von General Electric (GE) Nachbesserungen am Übernahmeangebot für den Alstom-Konzern verlangt. Frankreichs Präsident François Hollande nannte das GE-Angebot nicht ausreichend. "Das ist in dieser Form nicht akzeptabel", sagte er im Fernsehen. Der Staatschef sprach von "ausreichenden Möglichkeiten", das Verfahren zu beeinflussen, ohne dies näher zu präzisieren.
Zuvor hatte Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg in einem Brief an GE-Chef Jeff Immelt ein Angebot auch für die Transportsparte von Alstom (TGV-Züge) gefordert. Dem nur auf den Energiebereich bezogenen Angebot von GE könne die Regierung nicht zustimmen.